GOTTSCHLING Immobilien

Regelungen in Gemeinschaftsordnungen (GO) stellen Verwalter und sonstige Rechtsanwender immer wieder vor Auslegungsprobleme. Jetzt äußerte sich der Bundesgerichtshof (BGH) zum Verhältnis von Verwaltungszuständigkeit (Instandhaltung) und Kostentragungspflicht in Bezug auf Flächen, an denen Sondernutzungsrechte begründet sind und nachträgliche bauliche Veränderungen vorgenommen werden sollen. Der BGH liefert einen Auslegungsgrundsatz, der in der Praxis vielfach weiterhelfen wird.

Der Fall

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Den Erdgeschosswohnungen Nr. 1 und 2. ist jeweils ein Sondernutzungsrecht an bestimmten Grundstücksflächen einschließlich der sich dort befindenden Terrassen zugewiesen. In § 7 Nr. 1 GO ist geregelt, dass die Instandhaltung des Sondereigentums dem jeweiligen Sondereigentümer obliegt. Für die Instandhaltung der ausschließlich ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Flächen, Anlagen und Einrichtungen haben die jeweils berechtigten Sondereigentümer zu sorgen. In § 8 GO heißt es, dass jeder Sondereigentümer die auf sein Sondereigentum entfallenden Kosten allein trägt und solche Kosten, die nicht einem Sondereigentum zuzuordnen sind, von allen Eigentümern getragen werden. Eine Kostenregelung hinsichtlich der Sondernutzungsflächen fehlt in § 8 GO.

In einer Versammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass es dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 gestattet ist, die auf seiner Sondernutzungsfläche vorhandene Terrasse zu vergrößern und die umliegenden Bereiche in einer bestimmten Weise gärtnerisch zu gestalten. Die Kosten der Herstellung (also einmalige Baukosten) und der künftigen Instandhaltung (also dauernd anfallende Folgekosten) sollte der Wohnungseigentümer tragen. Weiterhin wurde einstimmig beschlossen, den Eigentümern der Wohnung Nr. 2 zu gestatten, auf der ihnen zugewiesenen Sondernutzungsfläche eine zusätzliche Terrasse zu errichten, wobei sie die Kosten der Herstellung und der zukünftigen Instandhaltung tragen sollten. Ferner wurde ihnen mit allstimmigem (einstimmigem) Beschluss gestattet, auf ihrer Sondernutzungsfläche eine Abgrabung vor den Fenstern des in ihrem Sondereigentum stehenden Hobbyraums vorzunehmen. Auch insoweit sollten die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung von ihnen getragen werden.

Der Kläger ging gegen diese Beschlüsse vor, allerdings nicht innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist, so dass er nur noch Nichtigkeitsgründe geltend machen konnte. Er beantragte dementsprechend die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse.

Die Entscheidung

Entgegen der Ansicht von Amts- und Landgericht fehlte die erforderliche Beschlusskompetenz nicht und zwar auch nicht teilweise. Denn mit der Regelung der alleinigen Folgekostentragung durch die Sondernutzungsberechtigten wiederholten die Beschlüsse lediglich die in der GO bereits vorhandene Regelung. Diese rein deklaratorische Wiederholung des Gemeinschaftsrechts führe im vorliegenden Fall nicht zur Nichtigkeit, weil es nicht zu einer Änderung bestehender gemeinschaftsrechtlicher Regelungen gekommen sei.

Zwar sei in § 7 GO nur die Instandhaltungspflicht geregelt, also die Verwaltungszuständigkeit für erforderliche Maßnahmen, nicht aber die Tragung der damit verbundenen Kosten. Auch treffe es zu, dass § 8 GO bezüglich der Sondernutzungsflächen keine Kostentragung regele. Allerdings – so der BGH – bedurfte es bei genauerem Hinsehen einer solchen Regelung auch gar nicht. Denn wenn der Sondernutzungsberechtigte für die Instandhaltung von Sondernutzungsbereichen in eigener Verantwortung zu sorgen habe, verstehe es sich bei objektiver Betrachtung von selbst, dass er die entsprechenden Aufträge im eigenen Namen und auf eigene Kosten zu erteilen habe, so dass der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit keinerlei Kosten entstehen. Hieraus erkläre sich bei objektiver Betrachtung auch das Fehlen einer Kostenregelung in § 8 GO.

Fazit für den Beirat

Die vorliegende Entscheidung bietet für viele vergleichbare Fälle taugliche Anknüpfungspunkte. Im Zweifel ist von einem Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und Kostentragungspflicht auszugehen, es sei denn, den Regelungen der GO ist etwas Gegenteiliges zu entnehmen.

So lange der BGH nicht geklärt hat, ob ein Beschlusszwang besteht, sollte der Beirat darauf achten, dass der Verwalter über die Zustimmung zur baulichen Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum Abstimmungen herbeiführt. Der sicherste Weg besteht darin, von einem Beschlusserfordernis auszugehen. Für ein Beschlusserfordernis spricht vor allem die Rechtssicherheit.

Nicht behandelt wird die Frage, ob es zulässig ist, bei der Abstimmung über die Erteilung der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung im Individualinteresse nur den bauwilligen Wohnungseigentümer mit „Ja“ abstimmen zu lassen unter Enthaltung aller übrigen Wohnungseigentümer. Rechtsfolge könnte sein, dass bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 6 WEG dasjenige Resultat folgen würde, das im Zweifel den Interessen aller beteiligten Wohnungseigentümer entspricht: Der bauwillige Eigentümer baut und bezahlt allein. Die übrigen Wohnungseigentümer sind weder an Bau- noch an Folgekosten beteiligt, da sie der baulichen Veränderung niemals positiv zustimmten. Eine solche Lösung wäre elegant und einfach, da sich die Problematik der Beschlusskompetenz für die Verteilung von Folgekosten nicht ergäbe.